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Über den Ölpreis, den Rubel und das geopolitische Erdbeben

»In diesem Winter verändert sich der Lauf der Welt«, schreibt Die Zeit und prophezeit ein »geopolitisches Erdbeben«. Der Anlass ist kein Meteorit, sondern der Ölpreis, der im vergangenen Jahr in sechs Monaten die Hälfte seines Werts verlor, und der Rubel, der es ihm gleichtat. Der Preis für ein Barrel Öl (159-Liter-Fass) pendelte vier Jahre zwischen 100 und 120 Dollar und stürzte dann auf 60 Dollar ab – an den Börsen, wo Zukäufe und Termingeschäfte abgewickelt werden. »Viele Verträge mit europäischen Abnehmern sind langfristig abgeschlossen«, sagt Katars Energieminister. Zu welchem Preis ist unbekannt. Jeder verdächtigt nun jeden. Wladimir Putin verbreitet, Amerika und Saudi-Arabien wollten Russland zerstören. Venezuelas Staatspräsident sieht dunkle Mächte am Werk, iranische Mullahs behaupten, Saudi-Arabien wolle den Iran vernichten. Nicht Israel, wie Günter Grass verbohrt dichtete. Will Saudi-Arabien das Fracking untergraben, um die USA als Abnehmer zurückzugewinnen, drängen die USA Saudi-Arabien, die Senkung der Fördermengen in der Opec zu verhindern, um – na klar – Russland zu ruinieren?

Das Tauziehen um die Ukraine und der Bruch mit Russland

Vorbemerkung: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch "Europa zwischen Weltmacht und Zerfall" von Rainer Trampert. Das Buch ist im Schmetterling-Verlag, Stuttgart erschienen und kostet 14,80 EUR. Umschlag, Inhaltsverzeichnis und das Kapitel "Tauziehen um die Ukraine ..." kann von dieser Seite herunter geladen werden.
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Das europäische Bürgertum ist tief gespalten. Die kapitalverwaltende Sektion warnt, seinen Geschäftsinteressen folgend, vor antirussischen Sanktionen. Eines ihrer Organe, das «Handelsblatt», warf dem Westen am 13. März 2013 «Pitbull-Politics» gegenüber Russland vor: «Ohne nachzudenken, geht man auf den anderen los, mit der animalischen Härte der Instinkte (…) mit gefletschten Zähnen, aber ohne Hirn.»

Dagegen ist das Bürgertum, das in Politik und Medien den Ton angibt, von einem antirussischen Fanatismus berauscht, der alten Haudegen aus der Epoche des Kalten Krieges Angst macht. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sieht in dem Partnerschaftsvertrag der EU mit der Ukraine, dessen politischer Teil im März 2014 vereinbart wurde, «einen deutlichen Schritt der Eskalation». Und Peter Scholl-Latour stellte bei Maischberger fest: «Wenn man die deutschen Medien und deutschen Politiker hört, meint man, das großdeutsche Reich hätte den Krieg gewonnen.» Recht hat er. Deutsche Politiker, Zeitungsleute und TV-Moderatoren behandeln die Ukraine und besonders die Krim wie deutsches Territorium, das Putin mit seinen Russen in Uniformen ohne Abzeichen ihnen gestohlen hat.

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