Jakob Augstein: Plaudertasche und Verschwörungsideologe

Jakob Augstein, informiert "Wikipedia", "vertritt" in der Gesellschafterversammlung des Spiegel-Verlags den 24-Prozent-Anteil der Familie Augstein" am "Spiegel", er ist Verleger der Wochenzeitung "Der Freitag", "linker" Gegenspieler des Berliner "Bild"-Chefs Nikolaus Blome in der "Phoenix"-Sendung "Augstein und Blome" und Verfasser der "Spiegel-Online"-Kolumne: "Im Zweifel links". Der Begriff "links" ist ungeschützt, und so darf der Nachrichtensprecher Nordkorea als letzten linken Überbleibsel bezeichnen, der Antisemit in der Linkspartei sich linksradikal verstehen und Augstein seine Kolumne "im Zweifel links" nennen. Was ist nicht einfach, sondern nur im Zweifel links?

Die Plaudertasche

"Augstein und Blome" gehört zu den TV-Talks, mit denen die Bewußtseinsindustrie die linken und rechten Grenzen des Denkens markiert. Die Vorbilder sind Ulrich Kienzle und Bodo Hauser, die ihre Sendung "Frontal" mit dem possenhaften Disput ausklingen ließen: "Noch Fragen, Kienzle? – Ja, Hauser" und die als "linke und rechte Hand des Fernsehens" Preise einheimsten. Das Konzept ist gleichgeblieben: Zwei Männer necken sich.

Argumentierten ihre Vorgänger noch im SPD-contra-CDU-Schema, führen sich Augstein und Blome so hanswurstig auf, als stritten sie mit Mario Barths Programm "Männer sind primitiv, aber glücklich" um die Quote. Blome bewahrt ein Minimum an Contenance, das sich für den Repräsentanten eines Medienkonzerns ziemt, Augstein gleitet in frühkindliches Verhalten ab, macht Faxen, setzt sich eine Pickelhaube auf, schenkt Blome beim Thema "Kohl" einen Koffer voller Birnen und beißt, als der ihn mitleidig ansieht, in eine hinein.

Kohl kam „als Bismarcks gemütlicher Wiedergänger daher“*, sagt er. Gemütlich, weil er die Nation nicht mit Eisen und Blut schmiedete, sondern „mit Geld, Geduld und guter Laune“. Am Zerfall der Sowjetunion und am Chor der Massen, sie kämen zur D-Mark, wenn die nicht zu ihnen käme, soll es nicht gelegen haben. Ein Mann macht Geschichte. Hatte Kohl schlechte Laune, und das war meistens der Fall, war er ein Kapitallobbyist mit einem mafiösen Begriff von Ehre und Treue, ließ Akten verschwinden und "im großen Stil manipulieren" (Burghard Hirsch, FDP). Ist es da nicht „ein Paradox, daß ausgerechnet der Mann, den die Linken als Birne verspotteten, heute zur Leitfigur eines linken Traums taugt – er gilt als einer, der Grenzen eingerissen hat?“ Aber Hitler hat noch mehr Grenzen eingerissen, und Kohl und sein Innenminister Zimmermann waren berüchtigt für Grenzschließungen; sie stigmatisierten Flüchtlinge so lange, bis der haßerfüllte Mob zum Pogrom schritt.

Diese Krise ist eine des Vertrauens. Geld ist greifbares Vertrauen. Erst wenn Merkel auf Europa vertraut, werden das auch die Märkte tun.“ Merkel müßte also beteuern, sie vertraue Griechenland, und schon wären auch die Finanzmärkte davon überzeugt, daß es keine objektive, sondern nur eine von Individuen durch ihre subjektive Wahrnehmung konstruierte Wirklichkeit gibt.

Kann Steinbrück Kanzler, Augstein? – „Steinbrück war gut in Deregulierung. Vielleicht ist er darum auch gut in Regulierung.“ – Das ist nicht zwingend, Augstein. – „Im Prinzip ist er wie Helmut Schmidt. Der weiß wirklich, wovon er redet, der Mann.“ – Aber Schmidt ist nicht links! – Ach Blome, „wann einer Sozialist ist, wann Sozialdemokrat, Liberaler oder Neoliberaler, das ist ein Spektrum der fließenden Übergänge.“ – Ein großer Gedanke, Augstein! Dann ist wohl jeder alles? – Wissen Sie, Blome, „mehr Sozialstaat, weniger Nationalstaat, das sind die Ziele linker Politik. Der Fiskalpakt ist eine Etappe dorthin.“ - Aber dem Fiskalpakt zufolge müssen Staaten eisern sparen, sich kontrollieren lassen, bei Zuwiderhandlung Strafgeld zahlen; der Fiskalpakt beseitigt die staatliche Souveränität und beschneidet sozialstaatliche Leistungen. - Okay, Blome, ich hätte statt Fiskalpakt auch Viktualienmarkt sagen können, Hauptsache, ich heiße Augstein und bin im Fernsehen. Sie wissen doch, was ich meine!

Der Verschwörungsideologe

Was er meint, weiß man bei ihm nur, wenn es um Israel geht. Jakob Augstein macht Israel, das meistens als Synonym für die Juden genommen wird, zum Sündenbock für alles. Er läßt den Judenstaat in Anspielung auf die Weisen von Zion nach der Weltherrschaft greifen, Bluttaten verüben, die Welt in den Abgrund reißen und weitere reichlich kuriose Taten vollbringen. „Kann man sich vorstellen, daß der kriminelle Kopte ... in anderem als im eigenen Auftrag handelte?“ – Aber warum soll dieser Kopte den Mohammed-Film nicht allein ausgeheckt haben? – „Zumindest traut man Leuten in der israelischen Regierung zu, die unerwartete Schützenhilfe politisch auszunutzen.“ Augstein beruft sich in seiner "Spiegel-Online"-Kolumne auf die von ihm frei erfundene Schützenhilfe, um sie Juden zuzuschreiben. „Das Feuer brennt in Libyen, im Sudan ..., aber die Brandstifter sitzen anderswo.“ Aha! Diese „zornigen jungen Männer (sind) ebenso Opfer wie die Toten von Bengasi.“ Zur Erinnerung: Dort schoß eine islamistische Miliz mit schwerem Kriegsgerät auf die US-Botschaft und ermordete fliehende Botschaftsangehörige. Mörder und Ermordete als gemeinsame Opfer zu klassifizieren, ist infam. Aber wessen Opfer sollen sie denn sein?

Findet der Verschwörungsideologe keine geeigneten Gerüchte über Drahtzieher, greift er zur Cui-bono-Frage: Wem nützen Mohammed-Persiflage und randalierende Moslems? Die gegen die USA und Israel „wütenden Muslime“ kämen, meint Augstein, „“der israelischen Regierung mehr als gelegen“ - wegen des beabsichtigten Angriffs auf die Atomanlagen im Iran. Zwar läge es für diesen Zweck viel näher, Sunniten in Saudi-Arabien, im Irak, in Syrien und anderswo, die sich ebenfalls von Irans Hegemoniebestrebungen im Nahen Osten bedroht fühlen, nicht zu verärgern. Sei's drum: Wenn auch ein Nutzen für Israel nicht auszumachen ist, bleibt doch immerhin das beliebte Stereotyp, daß Juden den Aufstand gegen sich, letztlich also den Antisemitismus überhaupt, selbst zu verantworten haben.

Augstein geht selten geheimnisvolle Umwege, er behauptet einfach. Ein Verschwörungsprofi wie Andreas von Bülow spricht wie ein Eingeweihter von weither, daß unter den Opfern des World Trade Centers nur ein Israeli gewesen sei - "statistisch gesehen auffallend wenig". Aber weder Israelis noch Juden wurden registriert. Er weiß also nichts, will nur streuen, daß die Juden hinter dem Anschlag steckten. Bei einem toten Buddhisten hätte er Tibet natürlich nicht als Verursacher vermutet. Augstein behauptet nur rotzig: „Wenn es um Israel geht, gilt keine Regel mehr: Politik, Recht, Ökonomie – wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen.“

Wenn Jerusalem Deutschland steuert und jeder US-Präsident „sich die Unterstützung der jüdischen Lobbygruppen“ sichern muß, befinden wir uns bereits im Vorstellungsbereich der jüdischen Weltherrschaft. Wie stets nutze der Jude „das schlechte deutsche Gewissen“ für seine Geschäfte aus. So habe Angela Merkel Israel „Hunderte von Millionen überwiesen und später U-Boote hinterhergeschickt und dafür die Regeln der ... marktwirtschaftlichen Ordnung außer Kraft“ gesetzt. Haben Voodoo-Priester einen Hahn geköpft? Wie sonst käme Merkel auf die Idee, die "gute" Marktwirtschaft zugunsten der Juden zu beseitigen? „Die Linksfraktion hat noch nachgefragt, wie teuer die U-Boote den Steuerzahler kommen“, für die Schlecker-Frauen war's zu spät: Würde Israel für seine „machtpolitischen Interessen auf Zahnpastatuben setzen und nicht auf Atomraketen, die berufliche Zukunft von rund 13.000 Drogistinnen wäre sicher“.

Der israelische Ministerpräsident Netanjahu „führt die ganze Welt am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs“, sagt Augstein in sprachlicher Anlehnung an den "anschwellenden Bocksgesang" von Botho Strauß, der von der Regeneration der Stämme durch die Tötung der Fremden handelt. "Freitag-Online" führt die Bluttat weiter aus. Man verfüge über "Berichte" von jüdischen "Gewaltanwendungen ... gegenüber palästinensischen Zivilisten, allen voran Kinder und Frauen". In Wahrheit wurden und werden jüdische Kinder und Frauen in Bussen, am Strand und auf Märkten in die Luft gesprengt. Die ganz große Bluttat steuerte dann Günter Grass bei. Israel wolle das iranische Volk "auslöschen" und bedrohe den Weltfrieden. Für Augstein sind das Worte eines Messias. Die „knappen Zeilen von Grass werden einmal zu seinen wirkmächtigsten Worten zählen“, urteilt er. „Es ist dieser Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: ‚Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden.’" Der Satz habe einen „Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt“. Grass habe „es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen“. Und als er die Deutschen erlöst hatte, schnappte er sich das Kreuz und schnaufte die Via Dolorosa hinauf.

Grass will Israel zu den Völkermördern zählen, um den deutschen Völkermord zu relativieren. Schon sein Weltfriede ist eine Lüge, die Millionen Kriegstote in Afrika für belanglos erklärt. Mit derselben Impertinenz türmen Antisemiten fiktive Opferberge auf, die Juden in künftigen Weltkriegen anrichten würden. Ein Militärschlag gegen die Atomanlagen im Iran wäre kein Völkermord und würde ebensowenig in den Weltkrieg führen wie der gegen Libyen. Die USA sanieren gerade ihre Kriegskasse, China und Rußland wissen, daß ihnen der Zerfall ihrer Nationen in ethnisch-religiöse Einheiten drohte. Auffallend ist, daß reale Kriegsparteien nicht unter die Kriegsgefahr gerechnet werden. Syrien und die Türkei beschießen sich, der Iran und Saudi-Arabien unterstützen Milizen im Irak und in Syrien. Aber Salafisten und andere Krieger können sich noch so abrackern, für "Freitag-online" ist die israelische Regierung "die einzige, die gegenwärtig den Weltfrieden ... gefährdet", "den sogenannten arabischen Frühling für sich ausnutzt", "den Krieg in Syrien fördert", den Iran nötigt, "eine eigene Bombe zu haben".

Augstein wird bestreiten, ein Antisemit zu sein. Aber die phantasierte jüdische Weltherrschaft, die Weltkriegsgefahr, die Aufregung über eine Fiktion und die Gleichgültigkeit gegenüber realen Kriegen und Kriegstoten, die Insinuationen, daß Israel hinter dem Mohammed-Film, dem Krieg in Syrien und der iranischen Bombe stecke und die Toten in den innerarabischen Machtkämpfen zu verantworten habe, die Wiederholung der Lüge vom Juden, der aus dem Antisemitismus Profit schlage, diese ganze Sammlung perfider Projektionen zeigt eine Verblendung, die mit einer Kritik an Aspekten israelischer Politik nichts mehr zu tun hat. "Wenn der Bürger schon zugibt, daß der Antisemit im Unrecht ist, so will er wenigstens, daß auch das Opfer schuldig sei" (Adorno).

* Kursive Passagen sind Zitate von Jakob Augstein.

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